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Medienratsentscheidung verschiebt Grenzen im Mediensystem

Am 27.06.23 erteilte der Medienrat der Sächsischen Landesmedienanstalt (SLM) einem bisher kommerziellen Privatradio eine Lizenz als Nichtkommerzielles Lokalradio (NKL) und gewährte dazu entsprechende Fördermittel. Diese Entscheidung führt zur Konkurrenz zwischen privatwirtschaftlichen und partizipativen Akteur:innen der Medienlandschaft. Sie verringert längerfristig die mediale Vielfalt, durch Verringerung der Chancen für echte NKL und Aufweichung der an diese gestellten Qualitätsansprüche. Der Medienrat erhebt sich hier quasi zum Gesetzgeber, indem er Grundsätze der sächsischen Medienlandschaft verschiebt.

Mark Westhusen vom Vorstand des Bundesverbands Freier Radios (BFR): „Wir sind erstaunt über die Kurzfristigkeit dieses Schrittes, der dieser Entscheidung offenbar zu Grunde liegenden mangelnden Fachlichkeit und dem fehlenden Blick der Akteur:innen in der Sächsischen Landesmedienanstalt für die Tragweite ihrer Entscheidung.“

Community Radios gelten europaweit als unverzichtbare dritte Säule der Rundfunklandschaft. Im Sächsischen Privatrundfunkgesetz (SächsPRG) werden sie allgemein unter die nicht näher konkretisierten Nichtkommerziellen Lokalradios zusammengefasst. Diese haben in ihrer dreißigjährigen Geschichte Strukturen selbstorganisierten Journalismus stetig weiterentwickelt, Partizipationsräume geschaffen und erhalten, sowie tausende Menschen verschiedener Altersgruppen bei der Entwicklung von Medienkompetenz unterstützt. In den vier Freien Radios in Sachsen senden aktuell zusammen etwa 500 Personen, die damit einen wichtigen Beitrag zur demokratischen Kultur dieses Landes leisten.

Es ist nicht zu übersehen, dass die privaten Veranstalter in schwieriger Lage sind. Es ist Aufgabe auch der SLM, die damit verbundenen Probleme zu bearbeiten. Ob Förderungen der geeignete Weg sind, können und wollen wir nicht einschätzen. Für uns liegt aber auf der Hand, dass der Medienrat mit seiner Entscheidung, Gelder die für die Förderung von NKL vorgesehen sind, an temporär als nichtkommerzielle Anbieter umgelabelte Wirtschaftsunternehmen auszureichen, Grenzen verwischt, für die das SächsPRG grundlegend ist. Wir gehen davon aus, dass dies den Intentionen des Gesetzgebers widerspricht.

Der Medienrat sendet mit seiner Entscheidung fatale Signale: An die in den NKL aktive und/oder abgebildete Zivilgesellschaft, dass deren mediale Partizipationsmöglichkeiten von der SLM wohl nicht gewürdigt und in Folge nicht im notwendigen Rahmen gesichert werden sollen. An die Medienwirtschaft geht mit dieser Entscheidung das Signal, dass ihre Problemlagen mit unlauterem Gebaren temporär auflösbar scheinen. Dass sich die kommerziellen Anbieter ohne die notwendige Weiterentwicklung ihrer Geschäftsmodelle nach Ende der Mitnahmephase in der gleichen Situation wie zuvor wiederfinden werden, scheint als logische Folge in dieser Entscheidung eingepreist. Den fehlenden Blick der Konsequenzen für die sächsische Medienlandschaft als auch der deutliche Widerspruch zu bundesweit angewandten Standards, kann für alle von dieser Entscheidung Betroffenen nur irritierend wirken.

Mark Westhusen weiter: „Wir fordern den Medienrat der SLM auf, die Gründe für die Entscheidung transparent zu machen. Wir fordern zudem, eine Erklärung zur Folgenabschätzung dieser und möchten in diesem Zusammenhang wissen, wie die SLM gedenkt, mit den nun mit Sicherheit hinzuwachsenden Begehrlichkeiten privatwirtschaftlicher Rundfunkveranstalter umzugehen. Für die bei den NKL aktiven Bürger:innen erwarten wir in diesem Zusammenhang ein plausibles Statement, um die in der Entscheidung der SLM herauslesbare Nichtwürdigung ihres z.T. jahrelang eingebrachten Engagements einzuordnen zu können.“

Aus unserer Perspektive ist es an der Zeit, das Sächsische Privatrundfunkgesetz zu überarbeiten. Die Würdigung des Beitrags Freier Radios zu Demokratie, medialer Selbstbestimmung und Vielfalt durch entsprechende Gesetzgebung ist überfällig. Mit einer Klarstellung der Bedeutung der dritten Säule ergäben sich auch Anhaltspunkte für eine auskömmliche Finanzierung der Community Radios aus Mitteln des Rundfunkbeitrags. Schließlich und endlich ist es an der Zeit, die Strukturen und Gremien der SLM erst Recht nach diesem willkürlichen Handeln auf den Prüfstand zu stellen.

Der Vorstand des BFR

(Pressemitteilung des Bundesverbands Freier Radios e.V.)

Freies Radio für Dresden und Ostsachsen, Teil des Rundfunkkombinats Sachsen rfk

2 thoughts on “Medienratsentscheidung verschiebt Grenzen im Mediensystem

  • Ich finde es sehr bedenklich, wie dieser Radiosender sich einfach in ein nicht-kommerzielles Radio umwandelt, ohne die Kriterien und die Werte eines freien Bürger*innenradios zu erfüllen. Ich bin der Meinung, dass die SLM hier eine falsche Entscheidung getroffen hat, indem sie Fördergelder an radio WSW vergibt, die den echten Freien Radios wie Radio BLAU, Radio T und coloRadio nun fehlen. Diese Radios leisten einen wichtigen Beitrag zur Meinungsvielfalt, Partizipation und Kultur in Sachsen und verdienen mehr Unterstützung.

    Hier besteht eine Gefahr für die Unabhängigkeit des Lokaljournalismus, wenn ein privater Radiosender wie radio WSW, der zur selben Unternehmensgruppe wie Sachsen Fernsehen gehört, sich mit Rundfunkbeitragsgeldern finanziert. Das ist eine klare Verletzung des Rundfunkstaatsvertrags und eine Benachteiligung der anderen Medienanbieter in Sachsen. Die Methode Haring hat System: Das zur selben Unternehmensgruppe gehörende Sachsen Fernsehen bekommt bereits Fördergelder in Millionenhöhe und nun auch noch Fördergelder für vermeintlichen Lokaljournalismus und das aus der Staatskasse.

    Ebenso schade ist, dass Radio Zett das freie Internetradio aus Zittau so schlecht dasteht. Ich habe gehört, dass der Verein total unstrukturiert und chaotisch ist, ein Mitglied soll den Sender sogar per Mausklick kurzzeitig gelöscht haben, andere manipulieren ständig am Sendeablauf und das Playout über einen amerikanischen Billiganbieter ist ohnehin unseriös. Das ist kein gutes Zeichen für die Qualität und die Zukunft des freien Internetradios in Sachsen.

    Ich hoffe, dass das Rundfunkkombinat demnächst sachsenweit auf DAB+ startet und eine gute Sendeabwicklungslösung findet. Ich wünsche den Macher*innen viel Erfolg und viele Zuhörerinnen und Sendungsmachende. Ich glaube, dass das Rundfunkkombinat ein spannendes Projekt ist, das die Freie Radioszene in Sachsen bereichern wird.

    Lasst mich wissen, wie man euch supporten kann. <3 Weiter so und danke für das tolle Programm!

    • Hallo Frederik,
      danke für deine Nachricht. Ja, hier passieren gerade wirklich komische Dinge im Freistaat. Ich verstehe auch nicht, warum die Freien Radios für ihre Ideen von Mitsprache und Mitgestaltung on Air so viel Gegenwind erfahren.
      Am besten wäre es, wenn du auf das Thema weiter aufmerksam machst. Nachfragen stellen bei der SLM und den medienpolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Landtag ist sicherlich eine gute Möglichkeit, Druck aufzubauen und die Freien Radios so zu unterstützen. Fördermitglied werden ist zwar auch schön und gut, aber es braucht jetzt eher human power und Lautstärke.

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