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Stellenkürzungen bei Freien Radios in Sachsen

Die Radiosender Radio Blau (Leipzig) und coloRadio (Dresden) können ab Herbst ihre Koordinationsstellen nicht mehr bezahlen. Bei Radio T (Chemnitz) stockt der technische Ausbau, die mobile Radioprojektarbeit und die Ausbildung/Weiterbildung. Seit 2017 werden Teilzeitstellen zur Koordination sowie die Verbesserung der technischen und fachlichen Basis von der Sächsischen Landesmedienanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) gefördert. Für das Jahr 2023 verweigert die SLM nun jedem der Sender je 11.666 € Förderung, wie erst jetzt im Juli für das bereits laufende Jahr beschieden wurde.
Das heißt konkret, dass bei den Freien Radios ab Herbst Kooperationsfragen unbeantwortet bleiben, bereits begonnene Projekte nicht zu Ende geführt werden, Weiterbildungen nur eingeschränkt stattfinden und Hilfestellungen für Ehrenamtliche ausbleiben. Betroffen ist auch die Sendetechnik. Reparaturen, Instandhaltungsarbeiten oder dringend notwendige Studioumbauten wird die Koordination fehlen. Dies gefährdet das Radioprogramm der Rundfunkveranstalter.

Lutz Grunert, Vorstandsvorsitzender des Radio-Vereins Leipzig e.V., der das Projekt Radio Blau betreibt, fragt sich: „Ich weiß nicht, wie die SLM sich vorstellt, wie wir so weiterhin ein abwechslungsreiches 24h-Radioprogramm aufrecht erhalten können? Wenn im Studio was kaputt geht und wir keine Technikkoordination haben, um das zu reparieren, dann kann auch kein Ehrenamtlicher mehr senden.“

Die Sächsische Landesmedienanstalt hat die Aufgabe, Meinungsvielfalt in Sachsen zu fördern. Die nichtkommerziellen Lokalradios leisten zusammen mit den Universitätsradios als sogenannte dritte Säule der Rundfunklandschaft genau das: sie bilden Bürger*innen weiter, nach journalistischen Grundsätzen ihre Meinungen zu äußern und Radiosendungen zu gestalten. Freie Radios sind also Orte des demokratischen Meinungsaustauschs über Medieninhalte. Damit stellen sie eine wichtige inhaltlich und ästhetisch alternative Ergänzung zu den öffentlich-rechtlichen und privat-kommerziellen Sendern dar.

„Wir erwarten uns von der SLM mehr Anerkennung für den wichtigen Beitrag, den wir für Medienbildung und Medienvielfalt in Sachsen leisten. Faktisch benötigen wir eine planbare und verlässliche Basisfinanzierung. Dazu gehört, dass unsere Bedarfe für Koordinationsstellen erkannt und die restlichen Mittel dafür umgehend freigegeben werden.“ fordert Torsten Rudolph, Finanz-Vorstand des Radio T e.V. in Chemnitz. Hintergrund ist, dass die SLM die Summe für die Realisierung von Projekten, Betriebs- und Verwaltungsaufwendungen sowie Schulungs- und Qualifizierungsmaßnahmen innerhalb der „Richtlinie zur Förderung von nichtkommerziellem lokalem und regionalem Rundfunk in Sachsen“ seit 2017 nicht erhöht hat. Diese Förderung wird aus GEZ- Einnahmen finanziert, die seitdem gestiegen sind. Weder ein Inflationsausgleich noch Tarifsteigerungen wurden seit sechs Jahren genehmigt. Nun werden die Mittel für die drei Vereine sogar gekürzt. Dabei haben sich seitdem die Sendezeiten der Sender mehr als verdreifacht. Entsprechend haben sich auch die Anzahl der ehrenamtlichen Sendungsmachenden und die Kooperationsanfragen erhöht. Der Koordinationsaufwand für den Sendealltag ist erheblich gestiegen.

Die neue steuerfinanzierte Förderung für Lokaljournalismus in Sachsen für 2023 und 2024 ist kein Ersatz für diese Koordinationsstellen. „Es bringt unseren Ehrenamtlichen und Hörer*innen wenig, wenn wir zusätzlich neue zeitlich begrenzte Projekte durchführen, um zum Beispiel Bürger*innen im Dresdner Umland zu zeigen, wie man Radio macht, aber gleichzeitig unsere Basisstrukturen wegfallen und wir das Radioprogramm unserer bereits aktiven Ehrenamtlichen nicht mehr koordinieren können“, sagt Ulrike Woschni, Vorstandsvorsitzende der Radio-Initiative Dresden e.V., dem Trägerverein von ColoRadio.
Die nicht-kommerziellen Radiosender ColoRadio, Radio T und Radio Blau sind in den frühen 90er Jahren aus den Demokratiebewegungen heraus entstanden. Die Sender stehen allen Bürger*innen offen, die keine diskriminierenden Inhalte oder Falschmeldungen verbreiten. So senden hier beispielsweise auch Menschen mit Behinderungen oder Migrationserfahrung, Senior*innen, Kinder oder bürgerschaftliche Vereine.
Von Schlagersendungen bis DJ-Sets, von Theaterrezensionen über alltagsphilosophische Gespräche bis zu lokal-politischen Diskussionen sind unterschiedlichste Themen in den Programmen vertreten.
Die Sender sind als Vereine organisiert, gemeinwohlorientiert, finanzieren sich über Spenden, Mitgliedsgebühren sowie Förderungen und sind per Statut werbefrei. Sie vertreten die Ziele der Charta des Bundesverbandes Freier Radios (BFR) und verstehen sich als Community Media.

5 thoughts on “Stellenkürzungen bei Freien Radios in Sachsen

  • Es ist geradezu bewundernswert, wie Frank Haring sein Dudelfunk-Programm radio WSW als NKL angemeldet hat, um zusätzliche Gelder aus der Förderkasse zu ziehen. Da soll noch einer sagen, dass Kreativität und Einfallsreichtum in der Medienlandschaft keine Belohnung verdienen! Währenddessen kämpfen etablierte Freie Radios mit ihren niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten und sorgfältig durchdachten Konzepten weiterhin um finanzielle Unterstützung.

    Es ist wirklich erstaunlich, wie die Fördermittel für die etablierten Freien Radios immer noch zurückgehalten werden. Sender wie Radio Blau, Radio T, coloRadio und Radio Zett haben seit Jahren einen unvergleichlichen Mehrwert für die Medienlandschaft geschaffen. Doch statt sie angemessen zu würdigen, scheinen die Gelder lieber in Dudelfunk-Programme zu fließen, die das breite Mainstream-Publikum bedienen und keine wirkliche Vielfalt bieten.

    Während radio WSW die Sicherheit hat, dass Sende- und Leitungskosten sowie GEMA- und GVL-Abgaben von der SLM finanziert werden, kämpfen Sender wie das RundFunkKombinat Sachsen immer noch darum, auf Sendung gehen zu können. Mit einem durchdachten Konzept und einer sorgfältigen Organisation würden sie zweifellos eine wertvolle Bereicherung für die sächsische Medienlandschaft darstellen. Aber scheinbar werden solche Initiativen nicht mit der gleichen Begeisterung und Unterstützung bedacht wie kommerzielle Dudelfunk-Programme.

    Es ist an der Zeit, dass die SLM ihre Vergaberichtlinien und ihre Vorstellung von Vielfalt und Qualität überdenkt. Es ist an der Zeit, dass Sender, die sich dem nichtkommerziellen Rundfunk verschrieben haben und einen echten Mehrwert bieten, angemessen gefördert werden. Die niedrigschwelligen Zugangsmöglichkeiten und die kreative Vielfalt, die Sender wie das RundFunkKombinat Sachsen repräsentieren, verdienen unsere Unterstützung und Anerkennung.

    Ich hoffe aufrichtig, dass wir eine Zukunft sehen werden, in der die Fördermittel gerecht und transparent verteilt werden und die Vielfalt der sächsischen Medienlandschaft tatsächlich gefördert wird.

  • Um die Projekt zu verwirklichen oder den Erhalt der Sächsische Freie Radio, über ein Crowdfunding zu Starten.

    • Hi Denis,
      ja, das mit dem Crowdfunding ist keine schlechte Idee und das werden wir auch mehr vorantreiben. Wenn du möchtest, kannst du gern Fördermitglied werden: https://coloradio.org/?page_id=577
      Jede Unterstützung zählt! Danke!

  • Ich finde es sehr bedenklich, wie dieser Radiosender sich einfach in ein nicht-kommerzielles Radio umwandelt, ohne die Kriterien und die Werte eines freien Bürger*innenradios zu erfüllen. Ich bin der Meinung, dass die SLM hier eine falsche Entscheidung getroffen hat, indem sie Fördergelder an radio WSW vergibt, die den echten Freien Radios wie Radio BLAU, Radio T und coloRadio nun fehlen. Diese Radios leisten einen wichtigen Beitrag zur Meinungsvielfalt, Partizipation und Kultur in Sachsen und verdienen mehr Unterstützung.

    Ich sehe hier auch eine Gefahr für die Unabhängigkeit des Lokaljournalismus, wenn ein privater Radiosender wie radio WSW, der zur selben Unternehmensgruppe wie Sachsen Fernsehen gehört, sich mit Rundfunkbeitragsgeldern finanziert. Das ist eine klare Verletzung des Rundfunkstaatsvertrags und eine Benachteiligung der anderen Medienanbieter in Sachsen. Die Methode Haring hat System: Das zur selben Unternehmensgruppe gehörende Sachsen Fernsehen bekommt bereits Fördergelder in Millionenhöhe und nun auch noch Fördergelder für vermeintlichen Lokaljournalismus und das aus der Staatskasse.

    Ich finde es auch sehr schade, dass Radio Zett das freie Internetradio aus Zittau so schlecht dasteht. Ich habe gehört, dass der Verein total unstrukturiert und chaotisch ist, ein Mitglied soll den Sender sogar per Mausklick kurzzeitig gelöscht haben, andere manipulieren ständig am Sendeablauf und das Playout über einen amerikanischen Billiganbieter ist ohnehin unseriös. Das ist kein gutes Zeichen für die Qualität und die Zukunft des freien Internetradios in Sachsen.

    Ich hoffe, dass das Rundfunkkombinat demnächst sachsenweit auf DAB+ startet und eine gute Sendeabwicklungslösung findet. Ich wünsche den Macher*innen viel Erfolg und viele Zuhörerinnen und Sendungsmachende. Ich glaube, dass das Rundfunkkombinat ein spannendes Projekt ist, das die Freie Radioszene in Sachsen bereichern wird.

    • Hallo Frederik,
      danke für deine Nachricht. Ja, hier passieren gerade wirklich komische Dinge im Freistaat. Ich verstehe auch nicht, warum die Freien Radios für ihre Ideen von Mitsprache und Mitgestaltung on Air so viel Gegenwind erfahren.
      Am besten wäre es, wenn du auf das Thema weiter aufmerksam machst. Nachfragen stellen bei der SLM und den medienpolitischen Sprecher*innen der Fraktionen im Landtag ist sicherlich eine gute Möglichkeit, Druck aufzubauen und die Freien Radios so zu unterstützen. Fördermitglied werden ist zwar auch schön und gut, aber es braucht jetzt eher human power und Lautstärke.

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